Kommentar |
Kants Beiträge zur Geschichtsphilosophie sind über verschiedene Schriften verstreut, von denen im Seminar zwei einschlägige gelesen werden: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784) und Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte (1786). Diese populär und verständlich geschriebenen Texte enthalten eine Art Kritik der historischen Vernunft, mit der Leitfrage, ob das Menschengeschlecht sich im beständigen historischen Fortschreiten zum Besseren entwickle. Damit betrachtet er die Geschichte als Gegenstand der praktischen Philosophie, die sich im Unterschied zu der Grundfrage der Ethik, „Was soll ich tun?“ mit einer weiteren Hauptfrage seines Philosophierens befasst: „Was darf ich hoffen?“
Dazu erforscht er die Geschichte nicht in der großen Fülle der historischen Ereignisse, was er für die Aufgabe der empirischen Historie hielt. Seine Erörterung dreht sich um die Frage, inwieweit Geschichte für den Menschen als praktischem Vernunftwesen von Interesse ist. Er fragt, unter welchen erfahrungsunabhängigen Bedingungen der Gang der Geschichte als vernünftig erscheint und wahrt somit den Zusammenhang mit seiner transzendentalen Vernunftkritik. Dabei sieht Kant klarsichtig, dass die Geschichte einen trostlosen und schauerlichen Anblick bietet, mit all ihrer menschlichen Gewalt, Torheit, Eitelkeit, Bosheit, Verlogenheit und Unsittlichkeit. Doch obwohl das gesamte historische Unheil auf den ersten Blick als sinnlos oder widervernünftig erscheint, fragt sich Kant, ob sich in ihr nicht trotzdem ein Sinn entdecken lässt, weniger in der Geschichte von Einzelnen oder Gruppen, sondern in der der gesamten Menschheit, der Weltgeschichte. Seine Betrachtung nimmt dazu zwei Hauptperspektiven eine: die in Richtung des Anfangs und die in Richtung des Ziels oder Endzwecks der Geschichte. Über beide Zustände können wir wir niemals objektives Wissen erreichen: Zum Anfang lassen sich nur Mutmaßungen anstellen und das Ziel kann nur als praktische Idee entworfen werden. Sinnvoll erscheint die Geschichte der Menschheit nur, wenn sie aus einem rohen Naturzustand schließlich zu einem Zustand vollkommener Freiheit führt. Kants Geschichtsphilosophie ist somit eine Fortschrittsgeschichte der Freiheit.
Die Entwicklung der Menschheit zum Besseren, Höheren und Vollkommeneren ist eine Grundidee der europäischen Aufklärung, der Kant verpflichtet ist. Daher wird die Erarbeitung der geschichtsphilosophischen Schriften im Seminar mit der Lektüre einer der kürzesten und wirkmächtigsten Schriften Kants abgerundet: Was ist Aufklärung?
In OLAT ist ein Ordner mit dem Namen "Kant: Geschichte und Aufklärung" unter dem Namen der Dozentin Dr. Gabriele Neuhäuser angelegt, dessen Passwort die zugelassenen Teilnehmer zu Beginn des Semesters erhalten. Er dient der Materialbereitstellung und Kommunikation über die Mitteilungsfunktion. Sämtliche Texte, die im Seminar zu lesen sind, werden im OLAT-Texte-Ordner bereitgestellt. |
Voraussetzungen |
Die Teilnahme am Seminar setzt die Bereitschaft zum vorbereitenden und kontinuierlichen Textstudium voraus. Es wird erwartet, daß sich die Studierenden (ab zweites Studiensemester) vor Veranstaltungsbeginn Kenntnisse über den Referenztext aneignen und diesen für jede Sitzung, dem Semesterplan entsprechend, sorgfältig studieren.
Zum Studium der Philosophie gehört ebenso die Einübung in die Artikulation philosophischer Argumentationen in Wort und Schrift, die in den Seminaren praktiziert wird. Die Teilnahme an der ersten Sitzung des Seminars ist obligatorisch. |