Kommentar |
Im Sprachgebrauch des Alltags hat die Utopie für gewöhnlich keinen sonderlich guten Leumund. Gedanken, politische oder unternehmerische Ideen, die Pläne und Ziele von Menschen als utopisch zu bezeichnen, impliziert in der Regel, ihnen Wirklichkeitsferne und Phantasterei zu unterstellen, sie als abwegig und nicht-realisierbar anzusehen – eben als utopisch. In diesem Verständnis wird die Utopie gewissermaßen beim Wort genommen: Sie beschreibt einen „Nicht-Ort“ (griech. „ou topos“), inexistent und deshalb nicht erreichbar. Zu verdeutlichen, dass sich in historischer Perspektive das Verständnis von Utopie(n) gerade nicht darin erschöpft, realitätsferne Illusionen zu beschreiben, wird eines der zentralen Ziele des Seminars sein. Mit Fokus auf Thomas Morus Text „Utopia“, der aus dem 16. Jahrhundert stammt und der Utopie ihren Namen gab, wird die Beschäftigung mit dem frühneuzeitlichen Staatsroman Ausgangspunkt des Seminars sein. Weitere wichtige (inhaltliche) Wegmarken werden die Auseinandersetzung mit frühsozialistischen Zukunftsentwürfen sowie der Kritik von Karl Marx und Friedrich Engels an ihnen sein (19. Jahrhunderts). Kenntlich wird die Utopie in diesem Zusammenhang als Gegen-, zugleich allerdings auch Komplementärbegriff zum Begriff der Ideologie. Von Marx und Engels wird dann der Übergang gemacht zur Philosophie Ernst Blochs, der utopisches Denken als Seinsprinzip zu etablieren versuchte und hiervon ausgehend von konkreten Utopien sprach. Schließlich wird auch ein Blick in die Gegenwart unternommen, um in Zeiten von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz Zukunftsentwürfe (und -szenarien) hinsichtlich ihrer Plausibilität und Tragfähigkeit zu diskutieren. Es wird die Bereitschaft zur gründlichen Lektüre der Seminarliteratur erwartet. In den Seminarsitzungen werden Fragen zu Text- und Begriffsverständnis ausreichend Platz eingeräumt. Übergeordnetes Ziel des Seminars ist es, derzeit am Fachbereich stattfindende Arbeit zu den menschenrechtsbildenden Implikationen der digitalen Transformation der Gesellschaft in einen größeren theoretischen Horizont zu stellen. |