Kommentar |
Kaum ein wissenschaftlicher Begriff hat eine solche alltagssprachliche Verwilderung erfahren wie der der Ideologie. Äußerst schwammig und unpräzise wird Ideologie medial etwa mit den Selbstbezeichnungen staatlicher Verfasstheit zusammengebracht (sodass z. B. von einer nationalsozialistischen oder bolschewistischen Ideologie die Rede ist), mit ökonomischen oder gesellschaftlichen Leit- und Idealbildern verknüpft (u. a. neoliberale oder sozialistische/kommunistische Ideologie) oder zur Bezeichnung der – zumeist mit Ablehnung verbundenen – Vorstellungswelt einzelner (machtvoller) Personen genutzt (Stalins Ideologie; Putins Ideologie). So ist Ideologie zur Sammelbezeichnung für Vorstellungen, Wissensbestände, Weltanschauungen etc. von Menschen geworden. Findet eine Bezugnahme des Begriffs vor dem Hintergrund marxistischer Philosophie statt, so wird Ideologie recht häufig verkürzt mit falschem Bewusstsein gleichgesetzt – und sich sodann auch schnell in ‚Entlarverei‘ geübt, indem das Falsche am Bewusstsein identifiziert werden soll.
Vor dem Hintergrund dieser Konfusion zielt das Seminar vor allem auf Begriffsklärung. Diese wird maßgeblich mit Primärliteratur zum Ideologiebegriff geleistet (u. a. Marx, Lukács, Gramsci, Kritische Theorie, Marcuse), wobei immer wieder auch dessen Verwicklung mit anderen Begriffen (u. a. Dialektik, Utopie, auch Digitalität) aufgewiesen werden soll.
Übergeordnetes Ziel des Seminars ist es, derzeit am Fachbereich stattfindende Projektarbeit zu den menschenrechtsbildenden Implikationen der digitalen Transformation der Gesellschaft in einen größeren theoretischen Horizont zu stellen.
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Literatur |
- Rehmann, Jan, Einführung in die Ideologietheorie, Hamburg 2008.
- Amlinger, Carolin, Die verkehrte Wahrheit. Zum Verhältnis von Ideologie und Wahrheit bei Marx/Engels, Lukács, Adorno/Horkheimer, Althusser und Žižek, Hamburg 2014. |