Kommentar |
Maßgeblich befördert durch (digital)technologische Entwicklungen greifen Prozesse der Datenerhebung und -auswertung gegenwärtig immer stärker um sich. Ziel ist zunehmend, Wirklichkeit nicht allein mittels Daten zu repräsentieren, sie soll auch durch die Auswertung immer größerer Datenmengen (Big Data) beeinflusst werden. Diese Wechselwirkung zwischen Daten und sozialer Praxis – der auch ein wirklichkeitskonstituierendes Moment implizit ist – wird als Datafizierung bezeichnet.
Das Seminar nimmt kultur- und sozialwissenschaftliche Perspektiven auf Datafizierung ein, worüber eine Entwicklung in den Blick gerät, die sich vom Beginn systematischer Datenerhebungen (insbes. frühneuzeitlich zum Aufbau bürokratischer Strukturen) bis zu ihrer heutigen, massenhaften Auswertung mittels technischer Handlungsanleitungen (Algorithmen) erstreckt. Bedingt durch die Verortung des Seminars in der Menschenrechtsbildung ist hierbei die Frage leitend, was Datafizierung mit den Selbst- und Weltverhältnissen von Menschen macht. Thema wird dann etwa die zunehmende Menschenähnlichkeit von Technik sein, die sich z. B. in den Bezeichnungen für algorithmische Auswertungsprozesse (Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen) verrät. Dies lässt die Frage nach fortbestehenden – und immer stärker unsichtbar werdenden (?) – Differenzen zum Menschen akut werden: Welche menschlichen u. gesellschaftlichen Qualitäten werden von Datafizierung nicht erfasst? Inwieweit sind Datenerhebung und -auswertung längst dominant hinsichtlich der Konstitution sozialer Wirklichkeit? Inwieweit ist eine unverfälschte Weltbegegnung dem Menschen noch möglich (war sie überhaupt je möglich)? Welche Beeinflussungs-, auch Manipulationsmöglichkeiten ergeben sich aus Prozessen der Datafizierung? Welche kulturgeschichtlichen Spuren lassen sich hinsichtlich dieser Prozesse auflesen (etwa E. T. A. Hoffmanns Automatengeschichten, romantische Lyrik) und in welchem Maße lassen sich diese Spuren fruchtbar machen für gegenwärtige Debatten?
Diese und weitere Fragen werden im Seminar behandelt. Die Studierenden werden mit ihrer Beteiligung am Seminar unmittelbar involviert sein in derzeit am Fachbereich stattfindende Projektarbeit, bei der Fragen nach den menschenrechtsbildenden Implikationen der digitalen Transformation der Gesellschaft im Zentrum stehen. Hierfür ist (u. a.) eine Veranstaltungsreihe auf den Weg gebracht worden, die im Sommersemester 2022 startete. Die Teilnahme an vorherigen Seminaren der Reihe ist von Vorteil, allerdings nicht Voraussetzung für die Belegung dieses Seminars.
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